Wir stellen vor: Französisch-Dolmetscherin Julia Klug
In unserer Serie „Wir stellen vor“ wollen wir unseren Dolmetscherinnen und Dolmetschern ein Gesicht geben. Dieses Mal haben wir mit einer unserer Französisch-Dolmetscherinnen über ihren Arbeitsalltag bei SAVD und anlässlich der Europäischen Konferenz für Schriftdolmetscher*innen in Wien auch zum Thema Schriftdolmetschen gesprochen.
Von 26. – 28. August findet am Zentrum für Translationswissenschaft in Wien die ECOS, die European Conference of Speech-to-Text Interpreters, statt. Wie kam es dazu, dass du in diesem Bereich tätig wurdest?
Ich habe mich 2019 für eine Fortbildung im Bereich Schriftdolmetschen entschlossen, da mich der Bereich Barrierefreiheit schon sehr lange interessiert hat. Schriftdolmetschen ist darüber hinaus eine ideale Ergänzung zu meinen anderen Tätigkeiten, da es viele Schnittstellen zum Community Interpreting und dem Simultandolmetschen gibt.
Worin liegen die Gemeinsamkeiten zwischen Community Interpreting und Schriftdolmetschen?
In beiden Bereichen sorgen Dolmetscher*innen dafür, dass Kommunikation im Alltag zu Stande kommt. Konferenzen haben hingegen mitunter einen glamourösen Charakter und als Konferenzdolmetscherin ist man dann eher Luxuselement.
Für wen bist du als Schriftdolmetscherin tätig?
Als Schriftdolmetscherin unterstütze ich Gehörlose oder hörgeschädigte Menschen vor allem im Rahmen ihrer Arbeit oder Ausbildung. Ich bin etwa häufig bei Vorlesungen an Universitäten, im Schulunterricht oder bei Meetings am Arbeitsplatz online dabei.
Wie funktioniert Schriftdolmetschen eigentlich?
Ich arbeite mit der Spracherkennungssoftware Dragon. Das bedeutet, ich höre per Kopfhörer zu und spreche die Inhalte in die Spracherkennungssoftware ein. Es ist wichtig, dass ich die Inhalte einspreche, denn die Software ist auf meine Stimme eingestellt. Eine andere Stimme würde sie nicht gleich gut verstehen. Aufgrund der Gleichzeitigkeit muss ich darüber hinaus wie beim Simultandolmetschen oft paraphrasieren und parallel etwaige Fehler der Software ausbessern. In vielen Fällen korrigiert auch die Kollegin, mit der man im Tandem arbeitet, die Fehler. Wie beim Simultandolmetschen arbeitet man auch in diesem Bereich zu zweit und wechselt sich ab.
Credits: https://youtu.be/9gaR11k1Du8
Welche Erkennungsfehler gibt es da zum Beispiel?
In einer Linguistik-Vorlesung wurde etwa aus dem Ausdruck „polysemous words“ „polygamist birds“, also polygame Vögel. Sehr amüsant war auch, als der „Reizhusten“ zu „Hawaii zu Ostern“ wurde. Da wollte die Spracherkennungssoftware offenbar Urlaub.
Arbeitest du nur vom Deutschen ins Deutsche oder auch mit deinen anderen Arbeitssprachen?
Ich arbeite derzeit mit all meinen Arbeitssprachen, aber nicht interlingual. Es gibt manchmal Einsätze bei englischsprachigen Konferenzen, bei denen für die Teilnehmenden Untertitel zur Verfügung gestellt werden. Diese Einsätze sind dann nicht zwingend für hörbeeinträchtige Personen. Es wird viel eher sichergestellt, dass alle Teilnehmenden dem Gesagten gut folgen können. Schließlich gibt es Menschen, die Englisch zwar schriftlich gut verstehen, aber Schwierigkeiten beim Hörverstehen haben.
Abgesehen von deiner Tätigkeit als Schriftdolmetscherin arbeitest du mit den Arbeitssprachen Französisch, Spanisch und Englisch als Konferenzdolmetscherin und bei SAVD. Bist du mit einer dieser Sprachen aufgewachsen?
Französisch ist die Kommunikationssprache zwischen meiner Mutter und mir. Das ist aber insofern ungewöhnlich, als die Erstsprache meiner Mutter Deutsch ist. Sie ist aber Französisch-Lehrerin und hat von Kindesbeinen an mit mir Französisch gesprochen. Die Sprache ist deshalb für mich bis heute mit mehr Emotionen behaftet als das Deutsche. Ich bin auch mit französischen Kinderbüchern, -liedern und TV-Sendungen aufgewachsen und fühle mich in der Kultur zu Hause. Mir ist aber bewusst, dass es keine vollwertige zweite Muttersprache ist. Rückblickend ist es doch ein Blick von außen. Ich sehe einen klaren Unterscheid zu Menschen, die in einem französischsprachigen Land aufgewachsen sind oder Eltern aus einem französischsprachigen Land haben.
Was empfiehlst du Menschen, die gerne mehr über die französische Sprache und Frankreich lernen wollen?
Da kommt mir interessanterweise das englischsprachige Buch„Bonjour Effect“ in den Sinn. Das Buch wurde von einem kanadischen Journalistenehepaar verfasst, das lange in Frankreich gelebt hat. Wenngleich einer der Autoren aus Québec stammt und seine Erstsprache Französisch ist, zeigt er die vielen Kommunikationsprobleme auf, die er in Frankreich hatte. Das bestätigt wiederum einen zentralen Aspekt für Dolmetscher*innen: Bei Kommunikation geht es nicht nur um Sprache, sondern auch um Kultur. Der Buchtitel spielt darauf an, dass man in Frankreich, wenn man jemanden anspricht, um etwa nach dem Weg oder der Uhrzeit zu fragen, das Gespräch auf jeden Fall mit „Guten Tag“ – also „Bonjour, Madame“ oder „Bonjour, Monsieur“ – eröffnen muss, da man andernfalls nicht weit kommen würde.
Hast du auch Musik- und Filmempfehlungen?
Mir gefallen etwa Suzane und Pomme sehr gut. Dabei finde ich spannend, dass die moderne französische Pop-Musik immer noch von französischen Chansons beeinflusst ist. Ich liebe außerdem den französischen Humor in Komödien wie in dem Film „Unterwegs mit Jacqueline“. Menschen, die gerne essen, sollten sich den Film „À la carte“ ansehen, bei dem die Geschichte des ersten Restaurants auf die Leinwand gebracht wird.
Credits: https://youtu.be/os9XEy9FkPs
Du dolmetschst seit 2016 für SAVD. Wie gestalten sich deine Einsätze?
Eine große Besonderheit bei der Tätigkeit für SAVD ist, dass man zu 95 Prozent für Menschen aus westafrikanischen Ländern wie Guinea, Benin, Burkina Faso, Mali oder Kamerun dolmetscht, deren Erstsprache nicht Französisch ist. Bei diesen Dolmetschungen geht es häufig weniger um den Sprachtransfer per se, als darum gewisse Konzepte herunterzubrechen. Im medizinischen Kontext sind etwa Wörter wie Husten nicht geläufig, weshalb man häufig wo anders ansetzen muss, um die Kommunikation zu ermöglichen. Man nimmt daher oft eher eine Vermittlerinnen-Rolle ein.
Wie hast du dich auf diese Einsätze vorbereitet?
Ich finde es ist besonders wichtig, sich an die Aussprache der Menschen zu gewöhnen. Dafür habe ich etwa Podcasts von France Culture gehört, bei denen regelmäßig Menschen aus westafrikanischen Ländern zu Wort kommen. Darüber hinaus habe ich mich mit der Geografie der Länder befasst, von denen ich davor zu meiner Schande kaum etwas gehört hatte.
Welche Themen begegnen dir bei Französisch-Dolmetschungen?
Ich dolmetsche häufig in den Bereichen Schwangerschaft, Kinderbetreuung und Vaterschaftsanerkennung. Darüber hinaus habe ich auch viele Einsätze für Justizvollzugsanstalten und psychologische und psychiatrische Gespräche. Ein Thema, das mir leider regelmäßig begegnet ist, ist das Thema weibliche Genitalverstümmelung.
Welches Gespräch ist dir besonders in Erinnerung geblieben?
Ich erinnere mich besonders an eine psychologische Beratung mit einer jungen Geflüchteten, für die ich drei Termine in Folge dolmetschen durfte. Es war schön zu sehen, dass sie im Laufe der Gespräche Vertrauen aufbaute und sich öffnen konnte. Beim dritten Termin war sie wie ausgewechselt und konnte die Tipps und Übungen des Psychologen gut umsetzen.
Was gefällt dir an der Tätigkeit als Videodolmetscherin?
Ich schätze vor allem, dass Dolmetscher*innen dort eingesetzt werden können, wo eine Verdolmetschung vor Ort nicht oder nur schwer möglich ist. Besonders schön zeigt sich das bei Dolmetschungen für Menschen, die sich bei vorangegangenen Terminen nicht verständigen konnten und sich dann freuen, dass sie nun miteinander sprechen können.
Vielen Dank für das Gespräch.
(Judith Moser, 23.08.2022)
Julia Klug ist in der Steiermark aufgewachsen und hat am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien Konferenzdolmetschen mit den Arbeitssprachen Französisch, Englisch und Spanisch studiert. Sie ist seit 2016 als freiberufliche Dolmetscherin für SAVD tätig und arbeitet darüber hinaus als Konferenzdolmetscherin und Schriftdolmetscherin in Wien und online. In ihrer Freizeit verbringt sie gerne Zeit in der Natur, oft mit einem ihrer Lieblingspodcasts.