Positionspapier zur Aufnahme der Sprachmittlung im Gesundheitswesen ins Sozialgesetzbuch V
Die Behandlung von Patient:innen mit limitierten Deutschkenntnissen ist längst keine Seltenheit und kann vielmehr als fester Bestandteil des Alltags in Kliniken und Praxen betrachtet werden. Eine einwandfreie Verständigung zwischen medizinischem Fachpersonal und Patient:innen ist dabei Voraussetzung für eine adäquate medizinische Versorgung. Verständigungshürden können sich auf die Gesundheit und im besten Fall auf die Lebensqualität der Patient:innen auswirken. Demgegenüber zeigt sich jedoch, dass die Strategien zur Überwindung von Sprachbarrieren in der Gesundheitsversorgung allzu häufig – nicht selten erst in Akutsituationen – improvisiert werden, da es an einheitlichen Richtlinien und flächendeckenden Lösungen mangelt.
Zur Gewährleistung der spezifischen Anforderungen für Sprachmittlung in Gesundheitseinrichtungen bietet Videodolmetschen als Potenzial, lokale Engpässe auch kurzfristig zu überwinden: So kann eine rasche Bereitstellung qualifizierter Dolmetscher:innen selbst in Notfallsituationen bundesweit gewährleistet werden. Die Berücksichtigung videogestützter Sprachmittlung im Gesetzgebungsverfahren ist essenziell, da eine flächendeckende Versorgungssicherheit nur durch das Dolmetschen vor Ort allein nicht sichergestellt werden kann.
Als größter Anbieter für qualifizierte Sprachmittlung im Gesundheitswesen auf dem deutschen Markt empfinden wir die Initiative der Bundesregierung im Rahmen des Koalitionsvertrages vom 07.12.2021 „Sprachmittlung auch mit Hilfe digitaler Anwendungen im Kontext notwendiger medizinischer Behandlung im SBG V“ aufzunehmen, als einen bedeutsamen Schritt, um Sprachbarrieren zu überwinden.
Fachdolmetschen in der Medizin
Das Fachdolmetschen in der Medizin ist eine hochkomplexe und verantwortungsvolle Tätigkeit, die nur mit entsprechender Ausbildung und Qualifizierung fachgerecht ausgeübt werden kann. Professionelles Dolmetschen erfordert neben berufseigenen Kernkompetenzen und einwandfreien Sprach- sowie Kulturkenntnissen auch ein ausgeprägtes Sachwissen in den Einsatzbereichen ebenso wie fachsprachliche, psychosoziale und berufsethische Fertigkeiten.
Es steht außer Frage, dass eine Sprach- und Kulturübertragung vor Ort immer die bessere Wahl ist. In der Realität ist das Dolmetschen in physischer Präsenz jedoch nicht immer zu bewerkstelligen: Kurzfristige Änderungen im geplanten Ablauf, zeitaufwendige Buchungen, lange Anfahrtszeiten und nicht zuletzt der Mangel an qualifizierten Fachkräften führen dazu, dass der Einsatz von Kindern, Klinikmitarbeiter:innen oder wartenden Patient:innen nach wie vor als willkommene Notlösung angesehen wird.
Vorteile videobasierter Sprachmittlung im Gesundheitswesen
Versorgungssicherheit
Der Videodolmetsch-Service der SAVD kann eine unkomplizierte und schnelle Zuschaltung fachlich qualifizierter Dolmetscher:innen in über 60 Sprachen rund um die Uhr sicherstellen. Auf diese Weise können Engpässe vor Ort vermieden werden.
Effizienz
Mit der Einsparung unnötiger und teilweise mehrstündiger Anfahrtszeiten ist es möglich, die durch den bestehenden Mangel an qualifizierten Dolmetscher:innen ohnehin schon knappen Ressourcen effizienter zu nutzen. Dies gilt insbesondere für seltenere Arbeitssprachen oder solche mit sehr hoher Nachfrage. Gleichzeitig tragen Videokonferenzen zu einer Verbesserung CO2-Bilanz bei.
Kosteneffizienz
Im Vergleich zum Präsenzdolmetschen entfallen bei der videobasierten Sprachmittlung Reise und ggf. Unterbringungskosten. Zudem können auch sehr kurze Gespräche präzise abgerechnet werden.
Datenschutz
Durch Verschlüsselung der Datenübertragung, Festsetzung angemessener technischer sowie organisatorischer Maßnahmen und vertragliche Verschwiegenheitsverpflichtungen der Dolmetscher:innen erfüllt videogestützte Sprachmittlung die Vorgaben der DSGVO und damit den hohen Schutzbedarf personenbezogener Daten.
Interkulturelle Öffnung
Mithilfe des Videodolmetschens können jahrelange Forderungen zur interkulturellen und diversitätsbewussten Öffnung des Gesundheitssystems realistisch und sinnvoll umgesetzt werden. Qualifizierte Sprachmittlung ermöglicht es Menschen mit limitierten Deutschkenntnissen ihre gesetzlich verankerten Ansprüche wahrzunehmen: Sie können auf eine ihnen verständliche Weise über Diagnose- und Behandlungsarten sowie deren Risiken und Folgen aufgeklärt werden und sich somit selbstbestimmt und aktiv an den Entscheidungen beteiligen, die ihren Gesundheitszustand betreffen.
Verringerung der Haftungsrisiken
Durch die schnelle und unkomplizierte Zuziehung von fachlich qualifizierten Dolmetscher:innen können Haftungsrisiken für medizinisches Fachpersonal minimiert werden.